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FSC-Zertifizierung: sinnvoll oder Makulatur?

oder Wie aus Liebe Hass zu werden droht

Meisterteam – Modulgruppe fordert mehr Klarheit in der Kommunikation und Ausrichtung auf das Wesentliche
von Manfred Tschöpe, Leiter der Meisterteam-Modulgruppe (Tischlereien, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen und dazu u.a. nach dem Holzzertifikat FSC zertifiziert sind)

Nachfolgend eine zusammenfassende Betrachtung und Bewertung der Auftaktveranstaltung in Hinblick auf die damit verbundenen Sorgen und Nöte, aber auch Hoffnungen einer Tischlergruppe am Ende der Chain-of-Custody.

Hintergrund:
Immer wieder aufkeimende Berichte zu Ungereimtheiten, Skandalen und Negativbeiträgen in diversen Medien wurden und werden von den zertifizierten Tischlereien der Meisterteam Multi-Site mit Sorge und auch Unverständnis zur Kenntnis genommen. Sie verunsichern die Betriebe nicht nur hinsichtlich der Kundenberatung, sondern auch des eigenen Antriebs, etwas Gutes für die Natur zu tun und durch nachhaltige Waldbewirtschaftung eine  Balance aus Naturschutz und einer wirtschaftlich langfristigen Nutzung des Rohstoffes Holz zu entwickeln.

Einerseits genießt das FSC-Label bei den Verbrauchern einen relativ hohen Bekanntheitsgrad, anderseits wird es vor Ort von einigen Umweltverbänden und Nachhaltigkeitsinitiativen soweit abgelehnt, dass der Hinweis auf dieses Zertifikat eher auftragsschädlich ist. Das Siegel, das als eines der ersten der Welt 1994 den Dreiklang der Nachhaltigkeit entsprechend der Brundlandt-Definition der UN durch die Etablierung der drei gleichberechtigten Kammern für Umwelt, Wirtschaft und Soziales nach der berühmten Konferenz von Rio De Janeiro 1992 angewandt und umgesetzt hat, steht immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Während andere Siegel davon weitgehend verschont sind, sollte man aus Naturschutzsicht das Siegel, welches damals antrat, die Welt (des Waldes) zu retten, nun besser gar nicht mehr haben? Ist statt Weltrettung aufgrund fehlender bzw. unzureichender oder zu wenig kommunizierter Erfolge der Naturschutz so radikal, dass er das einstmals geliebte und mit auf die Welt gebrachte Kind mehr verschmäht als andere Siegel, die sich diesbezüglich geduckt haben oder einfach das Glück haben, vom Naturschutz nicht wahrgenommen zu werden?

Ist es das Ergebnis einer enttäuschten Liebe, die nun in Hass umzuschlagen beginnt?
Hier sind die großen Umweltverbände in der Verantwortung für die gemeinsame Sache der Nachhaltigkeit, zwar hart in der Kritik zu sein und zu bleiben, aber die Relativierung in Bezug auf den Gesamtbestand aller Alternativen zu wahren und zu beachten. Gar kein Siegel, weil man enttäuscht ist, erscheint uns als wenig zielführend.
Vor diesem Hintergrund habe ich die nachfolgend betrachtete Veranstaltung ausdrücklich begrüßt und für lange überfällig hoffnungsvoll erwartet.

Nach coronabedingten Schwierigkeiten war es am 16.12.2020 soweit. Als Online-Veranstaltung mit dem Thema: Waldzertifizierung auf dem Prüfstand. Ist freiwillige Waldzertifizierung beim Schutz der Wälder gescheitert?
diskutierten zwei Vertreter des FSC und zwei eher kritische Akteure miteinander, moderiert durch eine neutrale Maria Grunwald.

Referenten:

•           Jörg-Andreas Krüger, Präsident NABU

•           Martin Häusling, MdEP, agrarpolitischer Sprecher Greens/EFA

•           Kim Carstensen, Generalsekretär FSC International

•           Dirk Riestenpatt, Vorsitzender FSC Deutschland

Anlass waren die immer wieder aufkommenden Vorwürfe, gespeist aus Berichten und Fernsehbeiträgen zu tatsächlichen und vermeintlichen Skandalen. Sie haben den FSC veranlasst, dazu eine ganze Serie von Online-Veranstaltungen aufzulegen, um mit der Kritik konstruktiv umgehen zu können bzw. den Interessierten ein Forum zu geben. Darüber zu berichten, Stellung zu beziehen, dazu zu Fragen und sich ein Bild machen zu können.

Das ist schon mal eine sehr lobenswerte Initiative. Sich dabei freiwillig auch noch Kritiker „ins Haus“ zu holen, gibt einen belastbaren Hinweis auf den Willen des FSC, es besser machen zu wollen. Ob der willige Geist, der sich hier ausdrückt, dem schwachen Fleisch genügend Paroli bieten kann, muss sich noch zeigen. Was sich jetzt schon zeigt, ist der Wille, es gründlich aufzuarbeiten. Denn diesem Auftakt sollen weitere Termine folgen.

Weitere Termine der FSC Digitalkonferenz:

•           14.01.2021 (16 - 17.30 Uhr), FSC Forstwirtschaft im Tropenwald. Am Beispiel Kongobecken.

•           04.02.2021 (16 - 17.30 Uhr), Forstplantagen: Grüne Wüsten oder Perspektive für nachhaltige Landnutzung und Rohstoffgewinnung? (Bsp.: Brasilien)

•           11.02.2021 (16 - 17.30 Uhr), Was macht die FSC-Zertifizierung in Russland aus?

•           25.02.2021 (16 - 17.30 Uhr), Wie ist Zertifizierung in einem Umfeld mit hohem Korruptionsrisiko möglich?
             FSC Zertifizierung in der Ukraine.

•           23.03.2021 (16 - 18 Uhr), Schlussplenum: Wie ist der Wald noch zu retten?

Braucht der Wald den starken Staat oder einen starken FSC?
Dieser erste Aufschlag widmete sich also der grundsätzlichen Frage, ob die freiwillige Zertifizierung sinnvoll ist, gar gescheitert oder einer Korrektur bedarf.

Die Moderatorin führte alle Referenten kurz ein und ließ sie mit einer Bewertung des FSC in seiner aktuellen Wirksamkeit starten. Die beiden FSC-Vertreter gaben dem FSC dabei jeweils ein befriedigend, was Luft nach oben ermöglicht, aber auch durchaus auf Geschafftes verweist. Eine wesentliche Begründung dabei war, dass der FSC weiterhin das Beste sei, was es aktuell auf der Welt gäbe und damit würdig, es zu verbessern anstatt es schlecht zu reden.

Die Benotung durch Herrn Häusling als Mann im EU-Parlament, war da schon deutlich schlechter. Er vergab ein ausreichend minus (4-), weil der FSC so inflationär Zertifikate vergeben würde und mit dem Label FSC Mix seine Glaubwürdigkeit in Frage stelle, sich insgesamt damit entwerte.
Dachte man 4- ist schon recht kritisch, so toppte Herr Krüger vom Nabu diese Abwärtsspirale mit der satten Note mangelhaft (5). Seine Begründung, die die sehr enttäuschte Liebe und Hoffnung, wie auch den Mangel an Wirksamkeit beschrieb, war nachvollziehbar. Aber eben auch ein Hinweis auf die daraus resultierenden Vorbehalte bei einigen regionalen Umweltaktivisten, den FSC als schädlicher zu betrachten, als gar kein Siegel.

Trotz seiner eher vernichtenden Bewertung arbeite er aber argumentativ wichtige und aus meiner Sicht richtige Aspekte heraus, die den Vertrauensverlust nachvollziehbarer machen.

Da ist zum einen die übergroße Erwartungshaltung, dass ein privater freiwilliger Umweltverband wie der FSC als David gegen Goliath bei auftretenden Verstößen ordnungsrechtliche Befugnisse haben könne. Richtig stellt er fest „ein freiwilliges System kann nicht Ordnungsrecht ersetzen“. Das ist fundamental, wird aber meist nicht gesehen oder nicht verstanden. Hier kann also der FSC auch in Zukunft nur enttäuschen. Umso bedeutsamer, auch sauber und klar zu kommunizieren, wo die Grenzen der Freiwilligkeit liegen. Aber auch, bis wo sie segensreich wirksam werden kann.

Im Laufe der teilweise lebhaften Diskussion wurde ebenfalls deutlich, dass das Zusammenspiel von freiwilligem Siegel und staatlicher Rahmensetzung das Erfolgsmodel sein kann. Wenn es denn gelingt, diesen Kommunikationsprozess in den Ländern aufzubauen und zu pflegen. Eine riesengroße Herausforderung, aber auch Chance.

Das sich befruchtende Wechselspiel aus Freiwilligkeit, die immer ein Sahnehäubchen oben drauf packen kann und dem Gesetzgeber, der sanktionieren darf, wäre der Ausweg aus der Skandal-ecke. Er würde die Erwartungshaltung in eine Unterstützungs- und Impulsgeberfunktion sinnvoll transferieren und die breite Spreizung von befriedigend bis mangelhaft wohl deutlich stärker fokussieren. Und dies hoffentlich in Richtung einer stabilen drei (befriedigend) mit starken Ausschlägen in Richtung zwei (gut). Vor sehr gut als Vision schützt mich der Hinweis unseres verstorbenen Altkanzlers aus Hamburg, dass man dann besser erst zum Arzt gehe.

Das gemeinsame Ziel, den Urwald, den es noch gibt, weltweit zu schützen und damit auch weltweit aus der Nutzung zu nehmen und sich bei dem Restwald (der mengenmäßig die größte Fläche umfasst) auf eine naturverträgliche Nutzung zu verständigen mit guten Rahmen-bedingungen für die nachhaltige Nutzbarkeit im Sinne der drei Aspekte Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Sozialem lohnt es allemal.

Der Weg scheint beschwerlich. Aber wo ist realistisch die Alternative?
Ein erster Schritt in diese Richtung könnte mit diesem Auftakt getan worden sein. Erwartungshaltung, Möglichkeitshorizont und Impulssetzung, aber auch Transparenz, Offenheit und Kritikfähigkeit wie auch Umsetzungsbereitschaft sind in ihren Facetten wahr zu nehmen und zu kommunizieren. Die Meisterteam – Modulgruppe fordert daher im Ergebnis Klarheit in der Kommunikation und Ausrichtung auf das Wesentliche.

Schauen wir gemeinsam auf das Ziel, ohne die Hindernisse zu übersehen. Aber lassen wir sie nicht so groß werden, dass das Ziel dahinter verschwindet.
In diesem Sinne erwarte ich hoffnungsfroh die weiteren Termine.
Ein guter Anfang ist gemacht. Danke dafür, lieber FSC.

Herzlichst
Manfred Tschöpe